Zusammenfassung
Eigenverantwortung ist eines der gegenwärtig häufigsten Schlagworte der Gesundheitspolitik.
Dabei dominiert ein am Prinzip der Verursachung orientiertes Verständnis von Eigenverantwortung,
die häufig im Sinne einer finanziellen Beteiligung des Versicherten an Gesundheitsleistungen
interpretiert wird. Der vorliegende Artikel zeigt am Beispiel der Adipositas, einer
komplexen Gesundheitsstörung mit multifaktorieller Ätiologie, die Schwächen dieses
Ansatzes auf und stellt ihm ein ethisch, rechtlich und psychologisch reflektiertes
Verständnis von Eigenverantwortung gegenüber, das auf die Ermöglichung und Aktivierung
gesundheitsförderlichen Verhaltens setzt. Damit wird zugleich der Fokus von der Verantwortung
für die Verursachung auf die Verantwortung für die Veränderung des Gesundheitsstatus
verschoben. Die Definition von Eigenverantwortung als objektive Möglichkeit und subjektive Fähigkeit von Individuen, ihren Gesundheitsstatus
positiv beeinflussen zu können hat insbesondere Implikationen für die Prävention: Zum einen die Neuausrichtung des
zurzeit vorherrschenden verhaltenspräventiven Ansatzes, insbesondere in der Adipositasprävention,
zum anderen die vor allem aus rechtlich-politischer Sicht schwierige Einbeziehung
einer Vielzahl gesellschaftlicher Akteure in die präventiven Bemühungen. Die Erweiterung
individueller Handlungsmöglichkeiten durch die Förderung persönlicher Kompetenzen
und durch Gestaltung der das Verhalten beeinflussenden Umweltgrößen ist eine Erfolg
versprechende, angemessene und ethisch gebotene Strategie der Prävention.
Abstract
Personal respsonsibility is a prevailing catchword in health policy. Following a predominant
understanding which is oriented at the principle of causation, personal responsibility
is interpreted in economic terms: Patients should be given a share in the costs of
their treatment in cases when they are jointly responsible for their illnesses. Considering
obesity as an example of a complex health condition with a multifactorial aetiology,
the present study identifies the weaknesses of this approach. In the following, an
ethical, legal and psychological reflected understanding of personal responsibility,
which aims at enabling and activating health promoting behaviour, is developed. Consequently,
the focus has to be shifted from the responsibility for the causation of a health
disorder to the responsibility for the modification of the health status. The definition
of personal responsibility as the possibility and capability of individuals to influence their health status in
a positive way has implications for prevention: First, a reorientation of the currently predominant
model of obesity prevention which focuses on individual behaviour and second, the
inclusion of various (social, political, economical) stakeholders in preventive efforts.
Extending the possibilities of individual acting by promoting capabilities and modifying
environmental factors that have an effect on individual behaviour is a promising,
appropriate and ethically sound strategy of prevention.
Schlüsselwörter
Eigenverantwortung - Prävention - Adipositas - Gesundheitsverhalten
Key words
personal responsibility - prevention - obesity - health behaviour